"Homöopathie ist nur etwas für harmlose Wehwehchen", "Homöopathie wirkt nicht" - so liest oder hört man es in den Medien. Die dort vertretene Meinung ist, dass Homöopathie nicht mit den
Medikamenten der Schulmedizin konkurrieren könne. Denn von diesen konventionellen Medikamenten kennen wir ja den Wirkmechanismus und meinen aus Studien zu wissen, dass sie helfen.
Aber stimmt das? Ist Homöopathie wirklich eine unwirksame oder allenfalls schwache Therapieform? Und helfen konventionelle Medikamente wirklich immer? Meine Erfahrung ist eine andere. Und dazu
möchte ich hier von einem eindrücklichen Fall erzählen, in dem ein homöopathisches Arzneimittel mehr bewirkte als das übliche und millionenfach verschriebene Ibuprofen. Es geht
um den Fall eines Zahnwurzel-Abszesses.
Zahnwurzel-Abszesse können Schmerzen verursachen, die zu den heftigsten gehören, die man haben kann. Der Patient war in diesem Fall ich selbst - ja, auch Heilpraktiker werden krank. Ärzte
übrigens auch. Wie heftig diese Schmerzen werden können wusste ich anfangs noch nicht, und das war erst mal ganz gut so. Denn hätte ich vorher gewusst, was da auf mich zukommt, hätte ich Angst
gehabt.
Tag 1: Karies rechts, Schmerzen links
Die Geschichte begann so: An einem Mittwoch im März, kurz vor der Corona-Krise, ging ich wegen mittelstarker Zahnschmerzen im Unterkiefer rechts zum Zahnarzt. Mein Zahnarzt ist ein wahnsinnig
netter und zugewandter Mensch, da machen sogar Zahnarztbesuche Freude. Ehrlich! Wie erwartet musste er ein großes Karies-Loch bebohren und füllen. Mir ging es danach richtig gut, die Schmerzen
waren endlich weg. Den Nachmittag verbrachte ich ganz fidel mit Arbeit.
Abends begannen dann heftige Schmerzen, und zwar diesmal auf der anderen, der linken Kieferseite, wo der Zahnarzt nichts gemacht hatte. Ich hoffte, dass das über Nacht wieder vergehen würde -
vielleicht hatte ich ja, um die rechte Seite zu schonen, die linke Seite zu viel belastet oder einseitig geknirscht und nun war einfach nur der Nerv gereizt? Aber der Schmerz ließ nicht nach. Er
wurde stärker, sodass ich die Nacht über nur wenige Stunden schlafen konnte.
Tag 2: Kurze Erleichterung, dann geht's wieder los
Am Donnerstag war es tagsüber wieder besser, sodass ich mich zum gewohnten Arbeitstreffen mit meiner Kollegin Catherine Weitzdörfer treffen und danach Patienten betreuen konnte. Aber abends ging es wieder los, diesmal noch schlimmer: ein heftiges Pochen, das ich in einem bestimmten Zahn empfand. Dazu im Kiefer Schmerzen, die beim Draufbeissen ganz extrem wurden. Da musste wohl Eiter unter dem Zahn sein. Ich schlief diese Nacht maximal zwei Stunden und das auch nur, weil ich Ibuprofen gegen die Schmerzen nahm.
Tag 3: Druckentlastung durch Aufbohren
Am Freitag rief ich meinen Zahnarzt an und er meinte, ich solle sofort vorbeikommen. Das tat ich natürlich. Ich war völlig fertig von den Schmerzen und vom Schlafmangel. Der Zahnarzt gab mir
insgesamt drei Betäubungsspritzen, aber der Kieferschmerz verging einfach nicht. Da der Zahn ohnehin schon tot war, bohrte er ihn schließlich vorsichtig und ohne Druck auf und da kam auch schon
der Eiter heraus. Ich habe es gerochen - sehr eklig!
Es ist wohl gar nicht so selten, dass nach einer Zahnbehandlung, wie ich sie am Mittwoch hatte, an einer anderen Stelle tickende Zeitbomben hochgehen. Ich hatte so eine Zeitbombe, der Zahnarzt
zeigte sie mir im Röntgenbild: Dort war die Entzündung im Kieferknochen, die schon mehrere Monate da sein musste, gut zu sehen.
Nachdem der Eiter abgeflossen und der Nerv vom Druck des Eiters entlastet war, ging es mir gleich viel besser. Ich dachte mir: "Nun gut, das Schlimmste ist wohl überstanden, jetzt muss halt mein
Körper die Entzündung im Kieferknochen heilen." Dass mir vom Zahnarzt gleich sechs Päckchen Ibuprofen mitgegeben wurden, hätte mich stutzig machen müssen...
... denn am Freitagabend ging es wieder los. Und zwar heftig. Ich nahm eines von den Ibuprofen-Päckchen ein und es half auch. Der Schmerz war noch da, aber ich konnte die erste Hälfte der Nacht
zumindest oberflächlich dösen. Mitten in der Nacht verstärkte sich der Schmerz wieder, und zwar brutal: ein klopfender, reissender Schmerz, der sich den ganzen Unterkiefer entlang bis in die
Ohren erstreckte. Meine halbe Zunge fühlte sich wund an, meine Wange innen und die halbe Unterlippe waren leicht taub. Ich nahm nochmal Ibuprofen, es half leider nur ein bisschen. Mittlerweile
hatte ich ein leicht flaues Gefühl im Magen - kam das vom Schmerz oder war das schon eine Nebenwirkung des Schmerzmittels?
Tag 4 & 5: Schmerz-Finale am Wochenende
Am Samstagmorgen fuhr mich meine Frau in eine Zahnklinik. In solchen Fällen finde ich, bei aller berechtigten Kritik, unser Gesundheitssystem dann doch wieder beeindruckend: Es gibt
Wochenend-Notdienste für Zahnärzte, für Apotheken usw. Ich war jedenfalls unendlich dankbar dafür, dass diese Zahnklinik samstags geöffnet hatte, und war voller Hoffnung, dass es danach endlich
aufwärts ginge. Der Zahnarzt bohrte den Zahn wieder auf. Es kam aber kein Eiter. Aber woher dann diese heftigen Schmerzen? Der Arzt holte noch etwas abgestorbene Substanz aus dem Wurzelkanal, gab
ein desinfizierendes Medikament in den Zahn und verschloss ihn wieder. Danach ging es mir wieder gut. Ich war so happy, dass ich ein bisschen arbeitete und unsere Wohnung staubsaugte. Dieser
Zustand hielt an bis zum Abend.
Dann ging es wieder los mit den Schmerzen. Na gut, dachte ich, da ist halt noch die Entzündung drunter, aber mit der Zeit wird der Schmerz schon abnehmen, weil das Medikament im Zahn wirkt. Der
Schmerz wurde aber nicht schwächer, sondern stärker. Mittlerweile wurde auch eine Schwellung der Backe sichtbar. Ich versuchte mich mit Lesen abzulenken, ging irgendwann dann doch ins Bett,
konnte aber nicht schlafen. Ich nahm also wieder Ibuprofen, was mir für rund zwei Stunden eine leichte Linderung verschaffte. Himmel, warum wirkt das Zeug denn immer schwächer? Nach den zwei
Stunden dann wieder der Schmerz in voller Heftigkeit, also nochmal Ibuprofen - keinerlei Wirkung. Nichts. Ich wartete eine ganze Stunde ab, aber das Schmerzmittel wirkte nicht, kein bisschen. Da
war nur noch dieser klopfende Schmerz, der mir das halbe Gesicht wegsprengte und mich wahnsinnig machte. Oh Gott, was jetzt? Das war nicht auszuhalten!
Na ja, man hält mehr aus, als man denkt. Mit schluckweisem Wassertrinken, Atemübungen und Abzittern der von den Schmerzen verursachten Spannungen ging es irgendwie. Aber das war trotzdem kein
Zustand. Ich hatte in den letzten drei Tagen zwei Kilogramm abgenommen, weil ich kaum essen konnte und die Schmerzen mich so strapaziert hatten. Als mich meine Frau am Sonntagmorgen wie ein
Häufchen Elend am Laptop sitzend fand, an dem ich mir gerade ein homöopathisches Arzneimittel heraussuchen wollte, sagte sie ganz streng: "So geht's nicht weiter. Du rufst jetzt Rolf an."
Homöopathie war die Rettung
Das war eine gute Idee. In solch einem Zustand kann man nicht mehr klar denken und schon gar kein passendes Arzneimittel finden. Rolf ist ein lieber Kollege und Freund, mit dem ich erst vor
Kurzem über Homöopathie bei Zahnschmerzen gesprochen hatte. Ich musste mich zu diesem Anruf sehr überwinden, denn wegen der Schmerzen fiel mir das Reden schwer.
Ich rief also Rolf an und bat ihn um freundschaftliche Hilfe gegen meine ibuprofenresistenten Schmerzen. Rolf nahm meine Symptome genau auf und suchte für mich ein homöopathisches Arzneimittel
heraus. In diesem Fall war es Mezereum.
Einige Anmerkungen zur Sicherheit: Ich empfehle hier nicht Mezereum gegen Zahnschmerzen. Erstens verlangt jeder Fall individuell nach einem Arzneimittel, d.h. Mezereum wird in den Fällen, in
denen es nicht zu den individuellen Symptomen passt, nicht helfen. Zweitens sind homöopathische Mittel kein Ersatz für den Gang zum Zahnarzt. Und drittens darf ich als Heilpraktiker
Zahnbeschwerden nicht behandeln und gebe darum auch keine Empfehlungen dazu ab. Diese Falldarstellung dient nur dazu, zu zeigen, was hier mit Homöopathie möglich war.
Zurück zum Fall:
Schmerzfreiheit und beschleunigte Heilung
Meine Frau und ich fuhren am nächsten Tag in den Kurzurlaub, auf den wir uns schon so lange gefreut hatten. Die bange Frage war: Würde die Schmerzfreiheit andauern?
Ja, sie dauerte an. Die Schmerzen kamen nicht wieder. Sicherheitshalber nahm ich nochmals drei Globuli in der C200 und besprach mich am Dienstag telefonisch mit meinem Zahnarzt. Seine Prognose:
Die Schwellung würde noch mindestens eine Woche andauern und nur langsam abklingen; der betroffene Zahn würde noch 4-8 Wochen lang auf Druck empfindlich reagieren, weswegen ich so lange nur auf
einer Seite kauen könne.
Tatsächlich war die Schwellung schon nach 4 Tagen nicht mehr sichtbar. Einen weiteren Tag später passierte es mir immer öfter, dass ich auch den betroffenen Zahn zum Kauen benutzte - ohne
Schmerzen. Offensichtlich verlief nicht nur das Abklingen der Schwellung, sondern auch die Heilung des Knochens deutlich schneller als üblich. Insgesamt also ein sehr erfreulicher Verlauf!
Was wir daraus lernen können: Homöopathie als Partnerin der Schulmedizin
Hier hat ein homöopathisches Arzneimittel - von dem wir den Wirkmechanismus nicht kennen und das laut Aussagen vieler angeblich gar nicht oder nur schwach wirkt - etwas geschafft, was das gut
erforschte und als zuverlässig geltende Schmerzmittel Ibuprofen nicht geschafft hat: einen extrem starken Schmerz zu beseitigen. Außerdem scheint es die Heilung der Knochenentzündung beschleunigt
zu haben - etwas, das mit schulmedizinischen Medikamenten nicht möglich ist.
Was hat mich diese Erfahrung gelehrt?
- Zuerst einmal, dass wir dankbar sein können für unsere technisch perfekte Schulmedizin. Ohne die Zahnärzte wäre es in diesem Fall nicht gegangen: Eiter muss einfach raus, tote Zähne müssen behandelt werden.
- Zweitens, dass homöopathische Behandlungen offensichtlich auch in Fällen wirken kann, in denen die Schulmedizin versagt.
- Und drittens: Es braucht beides - Homöopathie und Schulmedizin.
Wir brauchen keinen Kampf zwischen Schul- und Komplementärmedizin, wir brauchen ein Miteinander. Beide Medizin-Richtungen haben ihre Stärken und ihre Schwächen. Wir
sollten die Stärken beider nutzen, um die Schwächen zu überwinden.
Ohne Schulmedizin wäre ich vor Schmerz fast durchgedreht. Ohne Homöopathie auch. Ich verdanke beiden, dass ich jetzt hier sitzen und entspannt diesen Artikel schreiben kann.
Autor: Markus Dankesreiter, Heilpraktiker in Regensburg.
Spezialisiert auf Klassische Homöopathie, Genuine Homöopathie, Predictive Homoeopathy.
SHZ-akkreditierte Ausbildung in Homöopathie.
Praxis seit 2012.
Abgeschlossenes Studium der Physik (Diplom).
Beliebteste Artikel:
Globuli zum Kaffee
Was ist eigentlich der Unterschied zwischen einem Homöopathen und
einem Heilpraktiker?
Hautausschlag nach Süßigkeiten
Fallbeispiel: Wenn die Gastritis nicht weggeht
Fallbeispiel: Frau mit Harnverhalt nach Entbindung
Fallbeispiel: Homöopathie bei Angst mit Atemnot